Entspannung mit Kindern

Wenn wir ruhen, sind wir entspannt. Wenn wir aktiv werden, sind wir mehr oder weniger angespannt. Für jede Leistung brauchen wir ein gewisses Maß an Anspannung, unser Nervensystem, unsere Hormone, unsere Muskeln sorgen dafür. Wenn wir überfordert sind und das längere Zeit andauert, sind wir im Stress. Stress vermindert unsere Leistungsfähigkeit und erschöpft.

Entspannung – Anspannung – Stress, um dieses Spektrum geht es. Wir wollen lernen, unseren Spannungszustand selbst besser zu kontrollieren. Wir wollen eine optimale Anspannung erreichen können, so wie wir sie für jede Leistung benötigen. Wir wollen Entspannung herstellen können, wenn die Anspannung zu lange und zu stark ist, um Überlastung und Stress zu vermeiden und uns wieder zu erholen, neue Kräfte zu sammeln. Eigentlich wollen wir also gar nicht immer entspannt sein, sondern den Grad unserer Spannung und Entspannung möglichst gut kontrollieren. Das ist das Konzept der Spannungsregulation.

Entspannung hat eine wichtige Funktion bei der Erholung und Stressbewäl­tigung. Entspannung alleine reicht (meist) aber nicht aus. Eine wichtige Klassenarbeit etwa ist „Stress“. Wenn ich ganz entspannt in eine solche hineingehe, schreibe ich trotzdem nur dann eine gute Note, wenn ich den Stoff gelernt habe. Entspannung ersetzt das Lernen nicht. Sie kann mir aber dazu helfen, das, was ich weiß, optimal auf das Papier zu bringen. Ohne Entspannung blockiere ich sonst vielleicht, auch wenn ich eigentlich gut gelernt habe.

So ist es auch in anderen Bereichen: Entspannung schafft eine gute Grundlage, Aufgaben und Probleme zu bewältigen. Je nach Bereich ist dann noch etwas anderes zu leisten: Lernen für die Schule, Vermittlung von Informationen und Techniken des Umgangs bei Ängsten, Aggressionen oder psychosomatischen Problemen.

Können Kinder überhaupt entspannen? Viele Erwachsene haben Probleme damit. Studien zeigen aber: Kinder können Entspannung lernen – und zwar leichter und schneller als Erwachsene. Und das durchaus ab etwa dem Alter von drei Jahren. Kinder wissen allerdings weniger als Erwachsene, wozu Entspannung gut sein soll. Und Kinder denken unter Belastung nicht an Entspannung. Wir können uns mit Kindern also durchaus auf den Weg zur Entspannung begeben, wenn wir einiges berücksichtigen.

Kindern sollte zunächst gezeigt werden, dass Entspannung interessant ist und nicht langweilig, dass sie gut tut und nicht unwohl macht, dass sie etwas nutzt und nicht Zeit stiehlt. Ein Entspannungsunterricht für Kinder versucht Entspannung deshalb positiv zu färben. Wenn Entspannung als etwas eingeführt ist, das gut tut und interessant ist, kommt auch ihre Nütz­lichkeit zur Sprache. Anders als Erwachsene verstehen Kinder den Nutzen von Entspannung nicht unbedingt von selbst.

Besonders gut scheinen Kinder auf bildhafte Vorstellungen anzusprechen, wie sie in mehreren Entspannungsverfahren verwendet werden. Das liegt vielleicht daran, dass das bildhafte Vorstellungsvermögen bei Kindern besonders gut ausgebildet ist. Erst im späteren Schulalter lässt es nach. Wir werden in unserem Kurs deshalb bevorzugt solche Entspannungs­verfahren verwenden.

Eine Eigenart bei Kindern: Viele davon tauchen immer wieder aus der Entspannung auf. Sie schaffen es also durchaus gut zu entspannen, plötz­lich aber öffnen sie die Augen, orientieren sich, sagen vielleicht etwas, bewegen sich sogar – und tauchen wieder in die Entspannung ab. Physiolo­gische Messungen etwa der Muskelspannung haben gezeigt, dass diese Kinder durchaus Entspannung herstellen können, dass sie auch wieder gut in sie hineinfinden. Für Erwachsene kann das aber irritierend sein. Keines­wegs alle Kinder zeigen solches, wir müssen es aber, wenn es auftritt, nicht als Misserfolg interpretieren, sondern als eine Eigenart von Kindern, die der Entspannung aber nicht entgegensteht.

Außerdem sollte Entspannung für Kinder spielerisch eingeführt werden. Das steigert die Motivation. Und sie muss zunächst stärker als bei Erwach­senen von außen angeleitet werden. Wir beginnen also mit einer Traum­stunde, in der das Kind Entspannung erlebt. Erst später führen wir die Entspannung dann in die Verantwortung des Kindes und zeigen, wie es Entspannung selbst in Stress-Situationen einsetzen kann.

Die Fähigkeit zur Regulierung des eigenen Erregungsniveaus ist eine Grund­kompetenz des Menschen, ohne die vieles andere leidet, und nicht nur die Gesundheit.

Um die Welt und andere Menschen besser wahrnehmen zu können und für alternative Verhaltensmöglichkeiten überhaupt zugänglich zu werden, ist beim überaktiven Kind Entspannung sehr hilfreich. Auch das ängstliche Kind kann sich seiner Angst viel besser stellen und andere Verhaltens­muster aufbauen, wenn es entspannt ist, also gelernt hat, sein Erregungs­niveau zu beeinflussen.

Entspannungsfähigkeit ist auch in Alltagssituationen von Kindern ohne Verhaltens- oder Gesundheitsprobleme unverzichtbar. Offenbar kann Ent­spannung die Fähigkeit des Kindes zur Selbstkontrolle stärken. Das trägt zu Verbesserungen in leistungsbezogenen Bereichen bei. Und sie erhöht die Konzentrationsleistung in Schule und Kindergarten. Daraus folgt:

Entspannungsfähigkeit ist grundlegend wichtig für alles Lernen und zur optimalen Präsentation des Gelernten in Prüfungssituationen. Sie erweist sich damit als eine Grundkompetenz, die es zu fördern gilt.

Kompakt

• Entspannung – Anspannung – Stress: um dieses Spektrum geht es uns.

• Wir wollen nicht dauernd entspannt sein, sondern den Grad unserer Spannung selbst beeinflussen können, so wie es gerade am passendsten ist. Wir wollen bewusste Spannungsregulation.

• Nicht nur manche Kinder brauchen Entspannung – sie ist eine Grund­fertigkeit. Und eine Voraussetzung für jedes Lernen und viele sozialen Fertigkeiten.

• Kinder können entspannen. Das ist durch physiologische Messungen nachgewiesen.

• Ihre Entspannung ist aber nicht unbedingt so gleichmäßig wie bei Erwachsenen, sondern sie können immer wieder aus ihr herausfallen, öffnen etwa die Augen, schauen sich um. Sie finden aber wieder gut in die Entspannung zurück.

• Bei Kindern sollte Ruhe und Entspannung zunächst positiv getönt werden, als interessant und nicht langweilig.

• Bei Kindern sollte Entspannung zunächst von außen angeleitet werden. Erst später wird gezeigt, wie das Kind Entspannung selbst einsetzen kann.

• Kinder haben Probleme, das in der Entspannungsstunde Gelernte in den Alltag zu übertragen, also selbstständig während Stress einzusetzen. Dies muss mit ihnen geübt werden.